Der Tango – aus den Hafenkneipen von Buenos Aires in die Welt
Von Wolf Schneider am 18.01.2012
Menschen aus aller Herren Länder treiben sich im Hafen von Buenos Aires hier herum. Seeleute, die auf das Ablegen ihrer mit Weizen beladenen Großsegler warten,mischen sich mit Einwanderern aus Italien, Deutschland, Osteuropa und Spanien. Heruntergekommene Gestalten, die sich ihr Geld in den Hafenbars von Prostituierten aus der Tasche ziehen lassen. Hier in den Bordellen und Cafés versuchen sie ihre Einsamkeit zu vergessen, ihr Heimweh zu überwinden. In den Jahren um 1880 sind sie hierhin gekommen, um ihr Glück zu machen. In Argentinien, in einem Land, das durch Schafzucht und Getreideanbau unermesslich reich geworden ist. Aber den hier von ihren Träumen von einem besseren Leben gestrandeten Immigranten hilft das nicht, der Reichtum kommt bei den Neuankömmlingen nicht an. Sie schuften für Hungerlöhne – und am Abend sitzen sie in den Bars gegenüber den Hallen an der Pier, sie trinken, sie träumen – und sie tanzen mit den Prostituierten. Der Tango ist geboren. Das bürgerliche Argentinien lehnt diesen Tanz aus den Hafenkneipen als unfein und gewöhnlich ab. Dennoch findet er bald seinen Weg nach Europa. Seeleute nehmen ihn mit, tanzen ihn in den Hafenkneipen von Marseille, Lissabon und Genua. Noch ehe das Jahr 1900 beginnt, findet der Tango seinen Weg nach Paris. Aus dem Tanz der Verzweiflung der Seeleute und Einwanderer wird Kunst. Und es dauert nicht lange, bis der Tango die Herzen aller Porteños, der Einwohner der argentinischen Hauptstadt, erobert. Bis heute ist der Tango ein Spiegelbild dieser stolzen, aber durch politische Wirren und wirtschaftliche Katastrophen oft geschundenen argentinischen Seele.
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